Aus der Schwitzhütte drang Rauch. Vorsichtig näherte sich Viviane in einer Mischung aus Angst und Neugier. Die Tür war geschlossen, sie vernahm Truuds tiefe Stimme. Nach einem prüfenden Blick, ob sie auch niemand bemerkte, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und lugte durch die Ritzen der Flechtwand. Im Inneren war es düster, viel konnte sie nicht erkennen. Doch dann entdeckte sie Thoralfs hellen Körper in einem Bottich, aus dem es dampfte. Schweiß rann ihm von der Stirn herab, sein Haar hing nass auf die Schultern. Truud goss Wasser auf die heißen Steine der Feuerstelle, es zischte und dampfte. Die ganze Hütte war in Rauch gehüllt. Thoralf erhob sich aus dem Bottich. Er war splitternackt. Viviane hielt den Atem an. Sie bedauerte, dass sie durch den Dampf nicht mehr sehen konnte, gleich darauf erschrak sie über derart unkeusche Gedanken. Aber hier war alles so anders, als das, was sie bisher gekannt, erlebt, erfahren hatte. Und Thoralf - der legte sich auf eine aus dünnen Birkenstämmen grob gezimmerte Bank. Truud nahm ein Bündel Birkenzweige und schlug damit auf Thoralfs Rücken, das Gesäß und die Beine ein. Viviane blieb der Mund offen stehen. Raudaborsti hatte nicht gelogen. Es war unglaublich!
Beinahe hätte Viviane die Tür vor den Kopf bekommen, so vertieft war sie in ihre heimlichen Beobachtungen. Zum Glück bemerkte Truud sie nicht. Sie schnappte sich einen Eimer mit kaltem Wasser aus dem Brunnen und schüttete ihn über Thoralf aus. Der brüllte laut auf, schnaufte, prustete und schüttelte sich. Truud rieb ihn mit einem groben Nesseltuch trocken. Während Truud mit den leeren Eimern verschwand, kleidete Thoralf sich wieder an und verließ die Hütte.
Viviane versteckte sich hinter dem nächsten Vorratshaus und schaute ihm nach, wie er zufrieden, mit rosiger Haut und feuchtem Haar zum Haupthaus ging.Verwirrt blieb Viviane stehen. In ihrem Bauch kribbelte es wie in einem Ameisenhaufen. Was hatte das zu bedeuten? Fahrig strich sie sich durchs Haar. Sie hatte es nicht geflochten. Wahrscheinlich sah sie aus wie Truuds Besen aus Reisigborsten. Sie nahm sich vor, etwas mehr auf ihr Äußeres zu achten. Sie war sich nicht sicher, ob sie Thoralf gefallen wollte oder besser unsichtbar bleiben sollte. Ob Thoralf sie überhaupt wahrnehmen würde?
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