Hieronymus Baumgärtner ist feige, das weiß Katharina in dem Augenblick, als der Herr Professor Luther ihr mitteilt, Baumgärtner habe ihm einen Brief geschrieben und erklärt, aus welchen vertrackten Gründen er die Verlobung wieder lösen müsse. Nicht an Katharina selbst, sondern an Luther hatte er geschrieben, dieser Feigling. Nicht mal schriftlich konnte er ihr in die Augen schauen...
Katharina begreift, ihre Liebe zu Hieronymus war nur Verliebtsein, und das Verliebtsein schlägt um in Wut, Enttäuschung, Trotz, Stolz. Sollte er doch in Nürnberg bleiben, dieser Schönredner, Blender und Feigling! Sie würde auch einen anderen finden, der besser zu ihr passe als ein ehrloser Sohn, der nur auf das Erbe seines Vaters spekuliere. Vor Luther will sie ihre Enttäuschung über diese Zurückweisung nicht zeigen und versteckt sie hinter Stolz und Trotz.Und der Herr Professor hat seinen Ladenhüter wieder zurück!
Es mag vielleicht dem cholerischen Wesen Luthers zuzuschreiben sein, als er Katharina einen anderen Bräutigam zuweist, ein gewisser Kaspar Glatz, der kurz zuvor in Wittenberg in der Theologie promovierte und nun als Pfarrer in Orlamünde wirkt. Allerdings ist Pfarrer Glatz ein mürrischer, geiziger alter Mann, zänkisch und herrisch, dem die Zeit davon läuft. Katharina, mittlerweile wohnhaft im Cranachschen Hause und nach Aves Weggang zeitweise in der Apotheke beschäftigt, verspürt dieses "Angebot" als saftige Ohrfeige, vielleicht auch als Strafe für ihr eitles Verhalten. Allerdings scheut sich der Herr Professor, Katharina diese Nachricht persönlich zu überbringen. Er beauftragt damit seinen Freund und Gevatter Nikolaus von Amsdorf, den er bereits mehrfach als Heiratsvermittler eingesetzt hatte. Jedoch haben weder Luther noch Amsdorf mit Katharinas Stolz gerechnet. Sie weist das großzügige "Angebot" zurück. "Den Glatz nehme ich nicht", soll sie gesagt haben. "Richtet es dem Martinus Luther aus, ihn würde ich nehmen!"
Welcher Teufel, den er doch so sehr fürchtete, muss Martin Luther geritten haben, dass er dieses "Gegenangebot" angenommen hat? Es ist wohl die Verblüffung über dieses ungeheuerliche Selbstbewusstsein, die Sprachlosigkeit zumindest für den Augenblick und der Gedankengang in eine Richtung, in die er nie zuvor geblickt hatte.
Er und Katharina? Wahrscheinlich würde ihn der Papst eher auf den Scheiterhaufen schicken als dass er im Ehebett landete. Je länger er aber darüber nachdenkt, umso mehr kann er sich mit dem Gedanken anfreunden. Klar, er mag sie nicht besonders, sie ist nicht schön, er empfindet sie als hoffärtig, sie besitzt nichts und er besitzt auch nichts. Er wohnt ebenso mönchisch im Schwarzen Kloster zu Wittenberg wie vordem mit den Augustinern. Es gibt nichts, was er seiner Frau hätte bieten können. Vielleicht entspricht es aber auch seinem wechselhaften Wesen, das oftmals zwischen Jähzorn und Resignation schwankt, dass er sich auf eine Ehe mit Katharina von Bora einlässt. Tausend Gründe mag es dafür geben, aber es ist keine Liebe zwischen ihnen, nicht einmal Verliebtsein.
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