Leseprobe aus: Susan Hastings Hieronymus Lotter, der Baulöwe von Sachsen
Es scheint alles zu gelingen, was Hieronymus anpackt. Seine Geschäfte laufen gut. Er handelt nicht nur mit Tuchen, sondern auch mit Saigerwaren, d. h. Silber, Blei und Rohkupfer. Er steigt als Geschäftspartner in die Handelsgesellschaft eines gewissen Heinrich Scherl ein, der ebenfalls aus Nürnberg stammt. Es ist anzunehmen, dass Michael Lotter diese geschäftliche Beziehung eingefädelt hat, ist doch Michael Lotters Mutter Barbara eine geborene Scherl. Es bleibt also alles in der Verwandtschaft. Heinrich Scherl wird später der reichste Bürger von Leipzig sein.
 
Als Händler muss Hieronymus viel reisen. Diese Reisen nutzt er auch, um sich berühmte neue Bauten anzuschauen. Besonders imponieren ihm die Schlossbauten von Meißen und Torgau. Sicher begeistert ihn diese Architektur, gekrönt durch die luftig gestalteten Wandelgänge, dass er später eine Laufbahn als Baumeister einschlägt. Doch noch beanspruchen ihn seine Handelsgeschäfte völlig.
 
Zu einem erfolgreichen Geschäftsmann gehört natürlich auch eine passende Frau. Nicht irgend eine, sondern eine mit Beziehungen. Seine Eltern legen ihm eine Verbindung mit der jungen Katharina Pauer nahe. Familie Pauer ist wohlhabend. Vater Hans Pauer ist Bergwerksbesitzer, entdeckt eine neue Zinnerzader in Geyer im Erzgebirge, ist aber auch Bürger von Leipzig und Ratsherr. Vielleicht kennen sich Hans Pauer und Michael Lotter über ihre Bergwerksgeschäfte. Außerdem ist Katharinas Schwester Anna mit Heinrich Scherl, dem Kompagnon Hieronymus Lotters, verheiratet. Durchaus möglich, dass Hieronymus der anmutigen Katharina über diese Familienbande begegnet.
 
Eine pikante Anekdote berichtet, dass Hieronymus schon bald nach seiner Ankunft in Leipzig strafrechtlich verfolgt wird. Beim Tanze hätte er eine Maid derart schwungvoll gedreht, dass ihre Knie zu sehen gewesen wären - unerhört für die Moral der damaligen Zeit. Hieronymus wird angeklagt, zu zehn Groschen Bußgeld bestraft und somit aktenkundig. Ob besagte Maid Katharina Pauer ist, ist nicht bekannt.
 
Eine weitere pikante Anekdote berichtet, dass zunächst sein jüngerer Bruder Anton ein Auge auf Katharina Pauer geworfen hätte. Doch aus dem zarten Liebespflänzchen wird nichts. Hieronymus schickt seinen Bruder auf eine längere Handelsreise, und als Anton zurückkehrt, ist Hieronymus mit Katharina verheiratet. Ob es eine wahre oder erdachte Geschichte ist, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Fakt ist: beide werden am 17. Oktober 1531 in der Kirche St. Thomas getraut.
 
Nun hat Hieronymus eine Frau. In den nächsten neun Jahren wird sie ihm drei Söhne gebären. Doch als nächstes benötigt Hieronymus Lotter ein repräsentatives Heim für seine Familie. Es kommt für ihn kein anderer Platz in Frage als der Marktplatz.Hier wohnen die reichsten und angesehenen Bürger Leipzigs, gleich in der Nähe des Rathauses. Hier will auch Hieronymus wohnen, koste es, was es wolle.
 
Fenster schließen