"Warum wird eigentlich Eure Burg belagert, Comtesse?", wollte Yngvar wissen, nachdem Gwendal wieder an der Tafel Platz genommen hatte. Adelaise seufzte und ihr Gesicht verdüsterte sich. "Das ist eine unangenehme Geschichte", erwiderte sie. "Graf Hamo und Graf Pepin sind unsere Nachbarn. Leider kam den beiden in den Kopf, um meine Hand anzuhalten. Es sind wahre Sturköpfe, denn keiner will weichen." "Das kann man verstehen", stellte Yngvar nicht ohne Genugtuung fest. "Ich würde auch nicht freiwillig weichen. Allerdings würde ich Euch nicht belagern, sondern..." "Sondern?" Adelaise hob die Augenbrauen. Er räusperte sich lautstark. "Natürlich muss man eine Frau erobern, nicht wahr, Comtesse? Frauen wollen das so." Amüsiert betrachtete ihn Adelaise. "Das mag für andere Frauen zutreffen, nicht für mich." "Welchem der beiden wollt Ihr denn Eure Gunst schenken?" "Ich werde keinem Mann meine Gunst schenken, erst recht nicht diesen beiden albernen Figuren!" Ihre Augen sprühten plötzlich zornige Blitze. "Ich bin nicht zu erobern. Ich liebe die Freiheit. Wäre ich ein Falke, würde ich mich vom Burgfried stürzen und einfach davonfliegen." Yngvar erschrak. "Tut das nicht, liebste Comtesse! Euer liebreizender Körper würde am Boden zerschellen. Das wäre wirklich schade!" "Dann hören endlich diese Belästigungen auf. Leider kann ich nur meinen Falken fliegen lassen. Er ist treu und kehrt immer wieder zu mir zurück. Er liebt mich, wie kein Mann mich lieben würde." "Tatsächlich? Wie kommt das?" "Weil ich ihn auch liebe. Das Tier spürt es. Es kennt keine Falschheit, keine Lüge, keinen Verrat." Nachdenklich fuhr sich Yngvar übers Kinn. "Was wollt Ihr denn gegen die Belagerer unternehmen? Sie könnten Euch aushungern." "Noch besitzen wir genügend Vorräte." "Sie könnten Euch angreifen." "Unsere Mauern sind stark." "Ihr habt zu wenige Männer, die sie verteidigen können." "Sie sind dafür sehr mutig." "Aber einmal müsst Ihr Euch für einen Mann entscheiden. Ich meine, so eine Frau wie Ihr, Comtesse, deren Anblick allein einem Mann den Verstand raubt, das wäre doch ... das wäre doch - Verschwendung." Adelaise schlug die Handflächen auf die Tischplatte. "Ich bin keine Frau, die sich an einen Mann verschwendet. Mein Herz schenke ich demjenigen, der nicht seinen Verstand verliert. Narren und Holzköpfe gibt es hier schon genug." "Also gibt es doch Jemanden, dem Ihr Euer Herz schenken würdet?", hakte Yngvar nach. "Niemandem Bestimmtes", wich Adelaise aus. "Ich hoffe auf einen Prinzen, der mich aus dieser vertrackten Situation errettet." Plötzlich sprang Yngvar auf, so dass sein Stuhl nach hinten umkippte, und beugte vor Adelaise das Knie. Er nahm ihre Hand und hauchte unzählige Küsse darauf. "Holde Adelaise", rief er mit etwas schwerer Zunge. "Ich bin der Mann, dem Ihr Euer Herz schenken könnt. Ich bin gekommen, um ... um ... also, ich will Euch befreien." Ihre Augen weiteten sich. "Ihr seid mein Retter? Ihr könnt die Belagerer besiegen?" Er nickte, während er sie anstrahlte. Sie neigte den Kopf, während sie auf ihn herab blickte. "Ja, also, wenn das so ist... Leider weilt mein Vater nicht im Lande und mein Bruder befindet sich auf einem Jagdausflug. Ich würde Euch reich belohnen, wenn Ihr mir diese verrückten Grafen vom Hals haltet." "Das werde ich. Das schwöre ich Euch!" Im nächsten Augenblick stand Gwendal neben ihnen. "Comtesse!" Am liebsten hätte er sein Schwert gezogen und diesem dahergelaufenen Ritter den Kopf abgeschlagen. "Ich bin doch derjenige, der Euch erretten will." Adelaise nickte lächelnd. "Ich weiß, Gwendal. Lass es erst diesen mutigen Ritter probieren. Du kannst dann immer noch um mich kämpfen, wenn er sein Leben verloren hat."
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