Textauszug Susan Hastings"Blauer Staub"
Hinter einem überdimensionalen Schreibtisch saß ein untersetzter Mann mittleren Alters mit pomadeglänzendem dunklem Haar. Er trug ebenso ein kleines Oberlippenbärtchen wie Fritz und war zumindest sauber gekleidet. An seinem kleinen Finger der linken Hand entdeckte Betty einen Ring mit einem gewaltigen Brillanten. Das musste also einer von Fritz' reichen Ge-schäftspartnern sein. Betty nahm sich vor, besonders vornehm aufzutreten, wie sie es während der Überfahrt immer mit Frau von Pasewalk geübt hatte.
Der Mann blickte auf, als Fritz das Büro betrat und ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
"Hallo, Freddy, back again?"
"Hallo, Joe. Das ist ja Wahnsinn, was sich hier abspielt. Da ist man mal eine Weile im guten alten Europa, schon steht das Ende der Welt Kopf."
"Ende der Welt? Du scherzt! Das wird der Mittelpunkt der Welt! Du ahnst ja gar nicht, was hier los ist. Das Goldfieber ist ausgebrochen."
"Ja, diese Kunde ist sogar bis nach old Europe gedrungen, deshalb bin ich gleich zurückgekehrt. Ich dachte, du könntest neue Ware gebrauchen."
"Natürlich, ich kann den Bedarf gar nicht decken, nachdem es Tausende von Goldsuchern in diesen tristen Landstrich gezogen hat. Und es kommen immer mehr. Aber setzt euch doch, ich lasse Whisky bringen. Der Dame ein Bier?" Das Wort Dame betonte er grinsend und blickte Betty unverschämt an. Sie wollte ob dieser Ungebührlichkeit aufbegehren, aber Fritz drückte sie auf einen Stuhl und hieß sie mit einer Handbewegung zu schweigen. Der schmuddelige Wirt brachte ein Tablett mit zwei Gläsern Whisky und einem dicken Henkelglas Bier herein.
"Oh, Fritz, schau nur, solche Gläser gibt es auch im Biergarten in der Ludwigstraße", rief Betty erfreut aus.
Fritz grinste. "Ja, Betty, hier ist manches wie zu Hause."
"Das kleine Fräulein ist aus Deutschland?", wollte der Mann, den Fritz Joe nannte, wissen.
"Ja, mein Reiseandenken", sagte Fritz lächelnd. Betty fasste es als Scherz auf und lachte mit Joe um die Wette.
Sie stießen mit ihren Gläsern an und nahmen einen tiefen Schluck. Betty war die Kehle von der langen, staubigen und unbequemen Fahrt ausgedörrt und sie leerte mit einem kräftigen Zug ihr Bierglas zur Hälfte.
"Nun erzähle, Joe, was war los in der Zwischenzeit?"
"Keiner hatte an das Highveld geglaubt. Ehrlich gesagt, ich auch nicht. Es war im März. Ich war gerade in Kapstadt, als die Nachricht von den Funden wie ein Blitz einschlug. Und ich habe gleich meine Ware eingeladen, was ich gerade zur Hand hatte. Der Bedarf ist enorm angestiegen."
"Kann ich mir vorstellen", meinte Fritz und hob das Glas. "Auf die Geschäfte!"
"Auf die Geschäfte!" Joe prostete Fritz zu. "Und nun zu dir. Wie ich sehe, warst du auch nicht müßig."
"Nein, ich habe mich eben umgeschaut und bin fündig geworden. Das ist Elisabeth Voigt aus Deutschland. Sie ist sechzehn Jahre alt."
Joe betrachtete sie wieder, als wollte er ein Pferd kaufen. Betty wurde es etwas unbehaglich zumute. Also, Manieren hatten die Leute hier offenbar keine. Sie hoffte, dass nicht alle Geschäftspartner ihres zukünftigen Mannes so plump waren. Joe rieb sich seine fetten, kurzen Finger und spielte an seinem Brillantring.
Sie hob ihr Glas und prostete Joe zu. "Ich wünsche Ihnen Geschäftserfolge mit Ihrem Bergwerk", sagte sie. Joe brach in schallendes Gelächter aus. Betty ließ irritiert ihr Glas sinken und blickte Fritz verwirrt an. "Habe ich etwas Falsches gesagt, Fritz?"
Fritz schüttelte den Kopf. "Nein, nein, Betty. Aber Joe hat kein Bergwerk. Er besitzt ganz andere Schätze." Joe griente breit und nickte selbstgefällig.
"Nun, Joe, was bietest du mir?", fragte Fritz übergangslos.
Joe seufzte tief und blickte Betty wieder nachdenklich an. Betty versuchte ein Lächeln. Schließlich musste sie Fritz' Geschäftspartner bei Laune halten und wenigstens ein bisschen nett sein, auch wenn ihr dieser Mann unsympathisch war.
"Ist die Ware sauber?", wollte Joe wissen.
"Absolut. Jungfräulich, wenn man so sagen darf."
"Ist denn Gold jungfräulich?", fragte Betty.
Wieder lachte Joe laut. "Umgekehrt, Jungfräulichkeit ist Gold. Köstlich, die Kleine!" Er wischte sich eine Träne aus den Augenwinkeln, so lachte er.
"Das meine ich auch", erwiderte Fritz. "Dass sie Gold wert ist."
"O nein, Freddy, du bekommst, was du immer bekommen hast." Er griff in die Schublade seines mächtigen Schreibtisches und zog ein Bündel Geldscheine hervor. Fritz blickte argwöhnisch drauf.
"Ich hatte schließlich allerhand Unkosten", sagte er verdrießlich.
Wortlos zog Joe noch ein Bündel heraus und legte es vor Fritz auf die Schreibtischplatte. Fritz nahm die Bündel in die Hand und blätterte sie durch.
"Metall wäre mir lieber", murmelte er.
"Nicht bei mir. Ich verbrenne mir nicht die Finger dran. In der Börse wechselt der Kurs von Stunde zu Stunde. Je mehr gefördert wird, umso billiger wird es. Aber beim Pokern kannst du welches gewinnen. Wenn du gewinnst!"
"Okay", sagte Fritz schließlich, erhob sich und verließ, ohne sich umzuschauen, das kleine Büro.
Betty wollte sich erheben und ihm nacheilen, aber Joe ergriff unsanft ihr Handgelenk und drückte sie wieder auf den Stuhl.
"Wo will Fritz denn hin? Kommt er gleich wieder?", fragte sie irritiert.
"Fritz? Was für ein Fritz?" Joe schaute sie verwundert an.
"Nun, Fritz de Bruyn, mein Verlobter."
"Dein Verlobter?" Joe lachte wieder dröhnend. "Er hat dir wohl nichts gesagt?"
"Natürlich, er hat mir alles erzählt, von seiner Villa bei Kapstadt und seinen Diamantminen in Kimberley und seinem Land hier, von dem er glaubte, es sei wertlos. Eigentlich wollten wir in Kapstadt heiraten, aber wegen der neuen Mine ..."
Joes dröhnendes Lachen unterbrach Bettys Redefluss. "Fantasie hat der Junge wirklich. Deshalb ist er auch so erfolgreich. Aber er heißt nicht Fritz, sondern Fred Vanderstapp, und dass er dich heiraten wollte, halte ich für einen gelungenen Witz. Diamantminen in Kimberley, Villa in Kapstadt, ha, ha, ha, köstlich, der Junge!" Wieder wischte er sich eine Träne von seiner feisten Wange. "Aber dass er sich die ganze Zeit zurückgehalten hat, ist erstaunlich. Du bist wirklich noch Jungfrau?"
Elisabeth errötete erschrocken. Verschämt blickte sie zu Boden. Über so etwas redete man doch nicht! Was ging das diesen Mann an? Er schien ihre Gedanken erraten zu haben.
"Deshalb habe ich ja extra löhnen müssen, Jungfrauen sind selten. So, nun mach kein Theater, jetzt zeige ich dir dein neues Zuhause."
"Was soll das?", begehrte Betty auf. "Wo ist Fritz hin? Ich rühre mich nicht von der Stelle, bis mich mein Verlobter abholt. Und was erzählen Sie da von einem Fred? Ich glaube Ihnen kein Wort. Außerdem habe ich Ihnen nicht erlaubt, mich zu duzen!"
Auch wenn es ein reicher Geschäftsfreund von Fritz war, das ging nun doch zu weit. Betty war empört und schlug mit der flachen Hand auf die Schreibtischplatte.
"Dir müssen sie noch Manieren beibringen", brummelte Joe und packte Betty wieder am Handgelenk. "Und für dich bin ich ab sofort Mister Ormond, dein Besitzer."
"Mein w a s ??"
"Hast du nicht verstanden, ich habe dich gekauft. Du gehörst jetzt mir und du wirst für mich arbeiten."




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